Gestern vor sechs Jahren wurde ich zum ersten Mal Mama. Gestern vor sechs Jahren veränderte sich mein Leben komplett. Von der Vollzeit-Bürokraft zur Vollzeitmami. Gestern vor sechs Jahren war einer der schönsten und zugleich einer der schlimmsten Tage, denn die Geburt des Sohnes fand fünf Wochen früher als errechnet statt und verlief bei Weitem nicht nach meinen Vorstellungen. Mein kleines, gesundes Wunder durfte ich nur wenige Sekunden in den Armen halten ehe es auf die Neointensiv-Station gebracht wurde. Nach einer Woche im Krankenhaus mit vielen Untersuchungen und unendlichen Gesprächen mit den Ärzten durften wir das kleine Menschlein endlich mit nach Hause nehmen und mein neues Leben als Vollzeitmami begann.
Von Euphorie bis Frustration
Ich liebte meinen Bürojob im Rechnungs- und Mahnwesen einer großen nordhessischen Einrichtung und war mir während der Schwangerschaft sehr sicher, dass ich nach einem Jahr Elternzeit wieder in meinen Beruf zurück kehren und das Kind derweil in dem betriebseigenen Hort versorgt werden würde. Somit beantrage ich voller Euphorie nach der Geburt nur ein Jahr Elternzeit.
Ich genoss die Zeit mit meinem kleinen Sohn in vollen Zügen. Besuchte Eltern-Kindcafés, traf mich mit anderen Mamis und deren Babys, besuchte einen Mami-fit-mit-Baby-Kurs und irgendwann einmal wöchentlich mit dem Sohn die örtliche Krabbelgruppe. Langeweile kam mir dabei nicht auf und ich war glücklich wie noch nie zuvor.
Der erste Geburtstag des Sohnes rückte immer näher und ich vereinbarte mit der betriebseigenen Kindertagesstätte einen Besichtigungstermin. Wenige Tage später stand ich mit meinem Mann und dem kleinen Sohn in den mit Liebe zurecht gemachten Räumen der Einrichtung. Der erste Eindruck war toll, doch der barsche Umgang der Erzieherinnen mit den Kindern fiel nicht nur mir sondern auch dem Mann sehr schnell auf. Die Worte der Erzieherin flogen wie in Trance an mir vorbei und ich konnte dem Gespräch kaum folgen. Meine Aufmerksamkeit lag hingegen bei einem kleinen Mädchen, welches auf eine Gymnastikmatte gebrochen hatte. Statt sich um das Mädchen noch um die Beseitigung des Erbrochenen, bevor ein anderes Kind dort hineintritt oder krabbelt zu kümmern, lag die Priorität der Erzieherinnen bei unwichtigeren Dingen. Mein Mann und ich brachen das Gespräch ab und verblieben mit den Worten, dass wir uns erneut melden würden. Die Tage vergingen und der Besuch in dem Hort ließ mich nicht los. Immer wieder hatte ich die Bilder des kleinen Mädchens, die Worte der Erzieherin und den rauen Umgang vor Augen. Dass wir nur einen Platz bekämen, wenn der Sohn die Kindertagesstätte täglich besuchen würde, machte das Ganze nicht einfacher, denn meine Vorstellungen lagen bei anfänglich 2-3 Tagen. Ich zählte die Tage bis zu meinem ersten Arbeitstag und merkte, wie es mir immer schlechter ging. Schließlich ließ mich der Gedanke an die Arbeit auch nachts nicht mehr los. Zu Beginn machte ich das Problem mit mir allein aus und suchte schließlich das Gespräch mit meinem Mann. Kopfnickend hörte er sich meine Sorgen und Bedenken an und antwortete schließlich in einem Satz: „Du rufst morgen früh an der Arbeit an, beantragst zwei weitere Jahre Elternzeit und sagst den Platz in dem Hort ab!“
Die Worte meines Mannes überraschten mich um ehrlich zu sein nicht wirklich, denn er war es, der mir bereits während der Schwangerschaft sagte, das es ihm wichtig sei, dass unser Kind in geborgenen Händen und am besten zu Hause aufwächst, aber trotzdem bestärkten Sie mich.
Es kommt alles anders als man denkt
Wenige Monate später wurde ich erneut Schwanger und mit einem Altersabstand von 23 Monaten kam unser zweiter Sohn zur Welt. Über ein Jahr betreute ich also ein Baby und ein Kleinkind zu Hause. Wir unternahmen die tollsten Ausflüge, gingen zum Kinderturnen, in die Krabbelgruppe, trafen uns weiterhin mit anderen Mamis und deren Babys bzw. Kleinkindern, bastelten Jahreszeitenbezogene Kleinigkeiten und sangen Rolf Zuckowskis Werke wie „Stups der kleine Osterhase“ oder „es schneit, es schneit kommt alle aus dem Haus“ in Dauerschleife. Es war eine unvergessliche und intensive Zeit mit meinen beiden Kindern. Nicht immer einfach, denn schlaflose Nächte, mal nicht gelaunte Kinder oder eine überforderte Mama gehören einfach zum Alltag dazu aber die schönen Tage übertrumpfen definitiv, sodass man sich gar nicht mehr an die schlechten Tage erinnern kann.
Nach dem dritten Geburtstag des großen Sohnes begann für ihn die Kindergartenzeit. Eine neue aufregende Zeit, die aber entwicklungstechnisch genau richtig für ihn war, denn wir merkten, dass ihm andere Kinder fehlten und er neue Herausforderungen benötigte.
Für weitere anderthalb Jahre betreute ich den kleinen Sohn zu Hause, während der Große vormittags in den Kindergarten ging. Meine Elternzeit habe ich nach der Geburt des zweiten Sohnes erst einmal auf zwei Jahre beantragt, da ich im Falle einer ungeplanten Arbeitslosigkeit des Mannes eingesprungen wäre. Während meiner Elternzeit bekam ich jedoch die Möglichkeit meines Arbeitgebers auf Minijob-Basis im Krankheitsfall und zur Urlaubszeit auszuhelfen. Ich fand die Möglichkeit super und sah es als Ausgleich zum Mama-Alltag und einem kleinen Taschengeld für unsere Urlaubskasse. Zudem blieb ich im Beruf drin und erhoffte mir dadurch später einmal einen leichteren Einstieg. Schließlich ging ich, wie vorab anderes mit dem Arbeitgeber vereinbart regelmäßig für einen Vormittag in der Woche arbeiten und der Kleine blieb während dieser Zeit bei der Oma, die sich liebevoll um ihn kümmerte.
Mamas dürfen doch nicht jammern
Tatsächlich war der Job ein kleiner Ausgleich, aber bei weitem nicht das was ich mir vorgestellt habe. Ich begann abends meine sowie die Kleidung der Kinder zurecht zu legen und packte die Rucksäcke. Morgens rannten wir wie wild durchs Haus, um zeitnah den Kleinen bei der Oma und den Großen im Kindergarten abzuliefern. An manchen Tagen verliefen die Abschiede von den Kindern gut, aber an den meisten Tagen jammerte und weinte mindestens eines der Kinder bitterlich. Mit der Zeit im Rücken versuchte ich das weinende Kind dann regelrecht von mir abzuwenden und hoffte insgeheim, dass es sich schnell wieder beruhigen ließ. Im Dauerlauf lief ich zum Auto, startete den Motor und fing an zu weinen. Ich bedauerte den unfairen und abweisenden Umgang meiner Kinder und ärgerte mich, dass ich wegen ein Paar Euros auf dem Konto solch einen Stress aufnahm. An der Arbeit angekommen war ich schon einmal schweißgebadet und durfte mir teilweise unschöne Bemerkungen bezüglich meiner Kleidung anhören, weil sich wieder einmal ein Kind die Nase an meinem Oberteil abgeputzt hat oder ich die selbe Strickjacke wie die Woche zuvor trug. In einer Abteilung mit gerade einmal drei Männern und dreizehn Frauen hatte sich das Arbeitsklima im Laufe der Jahre immer mehr zugespitzt und war meinerseits ein wahres Schauspielern. Von einer schlaflosen Nacht oder dem Kind, welches zum dritten Mal eine Bindehautentzündung hatte durfte man erst gar nicht sprechen, denn schließlich darf man sich als Mama einfach nicht so anstellen, die anderen haben das auch alle durch.
Ich hatte aber verdammt nochmal einige schlaflose Nächte, meine Kinder hatten große Schmerzen und teilweise Durchfall während sie zahnten und es gab weitaus Wichtigeres, als eine Strickjacke, die ich bereits eine Woche zuvor trug. Zumal ich mich selbst nicht mehr daran erinnern konnte was ich eine Woche zuvor, geschweige denn am Vortag trug. An manchen Tagen war ich froh, wenn ich Alltagstauglich und nicht im Schlafanzug ins Auto stieg. Und ja, Mamas dürfen auch mal jammern und sagen, dass sie einen miesen Tag haben, schließlich arbeiten sie Vollzeit an 24 Stunden, 7 Tage die Woche.
Während ich meine Arbeit erledigte, die mir nach wie vor immer noch sehr viel Freude bereitete, ließen mich die Gedanken an meine Kinder und den Abschied am Vormittag nicht los. Immer wieder schaute ich auf die Uhr und sehnte den Feierabend mittag herbei. Ich konnte es kaum erwarten bis ich meine Kinder in den Armen hielt und ich mich bei ihnen entschuldigen konnte. Auf der Fahrt von der Arbeit zum Kindergarten hatte ich über einen sehr langen Zeitraum die selben Gedanken und war mir klar: Ich möchte das nicht mehr, ich werde kündigen!
Das Ganze Prozedere machte ich anderthalb Jahre mit. Ich verlängerte zwischenzeitlich meine Elternzeit jedoch noch zwei Mal, so dass ich bei dem einen Arbeitstag in der Woche blieb.
Warum ich mich gegen meinen Job und für meine Kinder entschieden habe
Anfang dieses Jahres wurde mir bewusst, dass sich die Elternzeit dem Ende nähert und sich in wenigen Monaten in unserem Familienalltag einiges ändern würde, wenn ich wieder täglich arbeite. Die Erkenntnis und einige Faktoren an der Arbeit ließen mich spüren, wie unglücklich mich der wöchentliche Stress mit und an der Arbeit und der bevorstehende Wiedereinstieg nach der Elternzeit machten.
Ich konnte nicht mehr und entschloss von heute auf morgen mich aus diesem immer wieder kehrenden Kreislauf aus schlechter Laune, schlaflosen Nächten und Unzufriedenheit zu befreien. Ich hob meinen Arbeitsvertrag fristlos auf und kündigte erst mündlich und einen Tag später schriftlich meinen Arbeitsvertrag nach der Elternzeit.
Nur zwei Tage später unterschrieb ich meinen neuen Arbeitsvertrag bei einer Firma, bei der ich flexibel arbeiten kann und einem Job der sich gut in den Alltag mit meinen Kindern integrieren kann.
Heute wäre für mich der erste richtige Arbeitstag nach sechs Jahren Elternzeit. Heute beginne ich ein neues Kapitel. Ich habe einen Job den ich mit meiner Familie vereinbaren kann. Ich kann mir meine Arbeitszeit frei einteilen und brauche mir keine Sorgen machen wenn eines der Kinder mal krank wird. Zudem setze ich mich und meine Familie nicht unter Zeitdruck. Ich bin glücklich.
Seitdem ich diese Entscheidung getroffen hab,e geht es mir sehr viel besser. Ich habe keinen schlaflosen Nächte mehr und bin innerlich ruhiger. Mein neuer Job lässt sich perfekt mit meiner kleinen Familie vereinbaren, so dass ich die Kinder morgens in aller Ruhe für den Kindergarten fertig machen und anschließend arbeiten kann. Mittags hole ich sie im Kindergarten ab und wir essen gemeinsam eine warme Mahlzeit. Die Nachmittage gestalten wir nach unseren Wünschen und ich begleite die Jungs zu ihrem Sport. Abends wenn sie erschöpft vom Tag in ihren Betten liegen, kann ich ganz bequem noch einmal von zu Hause aus arbeiten.
Ich bin mir bewusst, dass nicht viele Mütter diesen Luxus und einen Job haben den sie mit der Familie vereinbaren können. Und ich weiß auch, dass es Mütter gibt, die ihren Ausgleich im Job sehen und die räumliche Trennung von zu Hause brauchen, um gestärkt wieder in die Mamarolle schlüpfen zu können. Und dann gibt es natürlich Familien, die aus verschiedenen Gründen auf den Job der Frau angewiesen sind. Es gibt viele unterschiedliche Modelle und Gründe worauf ich in diesem Artikel nicht eingehen und auch niemanden verurteilen möchte. Jede Person ist unterschiedlich. Jede Person hat unterschiedliche Bedürfnisse. Dies hier ist meine Geschichte, mein Weg zum glücklichen Ich – zur glücklichen Mama, die den mutigen Absprung aus dem stressigen Alltag gewagt hat und nun den Spagat zwischen (Traum-)job und Kindern nach ihren Wünschen meistert.
Es war die beste Entscheidung meines Lebens.
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